Einleitung
Die Erweiterbarkeit von SAP ECC und S/4HANA ist für Unternehmen essenziell, da sie dadurch die Möglichkeit haben, ihre im SAP abgebildeten Geschäftsprozesse an ihre spezifischen Anforderungen anzupassen.
Die klassischen ABAP-Erweiterungsmöglichkeiten in SAP ECC sind sehr flexibel und bieten zahlreiche Optionen, um direkt mit Standardobjekten zu arbeiten.
In S/4HANA können Kunden immer noch diese traditionellen Erweiterungsmöglichkeiten nutzen, jedoch gibt es auch neue Erweiterungsmöglichkeiten, die eine höhere Upgrade-Stabilität bieten sollen. Die Erweiterbarkeit in einem S/4HANA-System beruht auf dem Clean Core Paradigma. Dies bedeutet, dass der Standardcode von SAP möglichst unberührt bleiben sollte und im Idealfall nur durch externe Erweiterungen ergänzt werden sollte. Auf diese Weise wird die Stabilität und die Möglichkeit von Upgrades enorm verbessert.
Wenn es um Erweiterungsanforderungen innerhalb eines S/4HANA-Transformationsprojektes geht, ist es empfehlenswert, die verschiedenen Erweiterungsoptionen von S/4HANA sorgfältig zu prüfen und diejenigen auszuwählen, die am besten zu den Anforderungen des Unternehmens passen um Erweiterung zu implementieren aber dabei die Stabilität und Upgrade-Fähigkeit des Systems zu erhalten bleiben.
Im Folgenden werden die Erweiterungsmöglichkeiten in einem S/4HANA-System vorgestellt und anschließend bewertet.
Erweiterungsmöglichkeiten in S/4HANA Public Cloud
Im Rahmen eines S/4HANA Public Cloud Systems hat die SAP ein 3-Tier-Modell zur Erweiterbarkeit eingeführt. Es stellt eine Möglichkeit dar, die Komplexität von Anpassungen in der Cloud zu minimieren, indem die Erweiterungen je nach Anforderung in verschiedene Schichten oder Ebenen aufgeteilt werden.
Das Tier Model besteht aus drei Schichten:
- Key-User-Extensibility
- Developer-Extensibility
- Side-By-Side-Extensibility
„Key User Extensibility“ wird zum Beispiel verwendet, um einzelne Felder in Fiori Apps auszublenden oder umzustrukturieren. Hierbei handelt es sich um eine Funktion, die es Key Usern über grafische Oberflächen ermöglicht, individuelle Anpassungen an Fiori Apps vorzunehmen, ohne dabei die zugrundeliegende Programmierung zu beeinträchtigen oder verstehen zu müssen. Diese Art der Erweiterung hat den Vorteil, dass die Anpassungen auch bei späteren Updates und Upgrades der Anwendungen erhalten bleiben.
Die „Developer Extensibility“ bietet Entwicklern Optionen, um sicherzustellen, dass ihre Programmierung in der Cloud stabil und upgrade-sicher ist. Basis sind hierbei beispielsweise CDS Views, welche für Entwickler direkt nutzbar und erweiterbar sind.
Mithilfe von „Side-By-Side Extensions“ können neue Anwendungen entwickelt und auf der „Business Technology Platform“ (BTP) bereitgestellt werden. Dies ermöglicht es Unternehmen, ihre Geschäftsprozesse agiler und flexibler zu gestalten, indem sie neue Anwendungen und Funktionen schnell und einfach implementieren können, ohne dabei die bestehenden System zu beeinflussen. Alle neuen Anwendungen wie zum Beispiel auch Custom Fiori Apps sollte man hier entwickeln und deployen.
Ein Vorteil des Tier Models ist, dass es die Komplexität von Erweiterungen in der Public Cloud reduziert. Es ermöglicht Unternehmen, ihre Anpassungen in Schichten zu organisieren, was die Upgradefähigkeit und Stabilität des Systems erhöht. Darüber hinaus bietet das Tier Model klare Richtlinien für die Erweiterungen und sorgt so für eine konsistente Implementierung von Anpassungen in der Cloud.
Erweiterungsmöglichkeiten in S/4HANA Private Cloud und S/4HANA OnPremise
SAP hat für S/4HANA in der Private Cloud oder On-Premise ein leicht modifiziertes Konzept vorgestellt, das ebenfalls in drei Ebenen (Tiers) unterteilt ist. Jede Ebene bietet unterschiedliche Möglichkeiten zur Erweiterung und Anpassung von S/4HANA.
Tier 1 ist das Cloud-Extensibility-Modell, das sich stark am Modell für S/4HANA Cloud orientiert. Diese Ebene setzt den Standard für neue Erweiterungen und benutzerdefinierte Anwendungen, die mit den neuen RAP- und CAP-Technologien entwickelt werden. Die RAP- und CAP-Technologien ermöglichen eine schnelle und effektive Entwicklung von Anwendungen und Erweiterungen, sowie eine nahtlose Integration in das S/4HANA-System. Mit Tier 1-Erweiterungen können Kunden die Prozesse in S/4HANA an ihre spezifischen Geschäftsanforderungen anpassen und neue Funktionen hinzufügen.
In Tier 2 implementiert man Wrapper für nicht offiziell freigegebene APIs oder CDS-Ansichten. Diese Wrapper ermöglichen den Zugriff auf SAP-Systeme und -Daten, die nicht direkt über eine offizielle API oder CDS-Ansicht verfügbar sind. Kunden können diese Wrapper verwenden, um eigene benutzerdefinierte Anwendungen oder Erweiterungen zu entwickeln und so ihr S/4HANA-System weiter zu optimieren.
Tier 3 umfasst alle klassischen ABAP-Erweiterungsmethoden, die auch in SAP ECC verfügbar waren. Hierzu gehören beispielsweise ABAP-Reports mit Dynpro-Ausgabe oder angepasste SAP-Standardtabellen. SAP empfiehlt jedoch, die Nutzung von Tier 3 auf ein Minimum zu reduzieren und stattdessen die Tier 1-Erweiterungen zu verwenden, um die Systemstabilität und Updatefähigkeit zu erhöhen.
SAP-Kunden können in der Private Cloud oder OnPremise-Version von S/4HANA nicht komplett auf das Erweiterungsangebot der Cloud-Version zugreifen. Stattdessen müssen sie die vorhandenen Erweiterungsmöglichkeiten von Tier 1, Tier 2 und Tier 3 nutzen. Nichtsdestotrotz bietet auch dieses Konzept der Erweiterbarkeit für S/4HANA in der Private Cloud oder On-Premise eine umfassende Palette an Optionen. Man sollte jedoch immer bedenken, dass die Nutzung von Tier 1-Erweiterungen die erste Wahl sein sollte, um die Systemstabilität und Updatefähigkeit möglichst wenig zu beeinflussen.
Fazit & Empfehlungen
Erweiterbarkeit ist und bleibt auch mit der Einführung von S/4HANA ein wichtiger Bestandteil. Unternehmen ermöglichen diese Möglichkeiten, die Funktionalität der Software an ihre spezifischen Geschäftsanforderungen anzupassen. Im Vergleich zu älteren SAP-Systemen gibt es jedoch einige Unterschiede in der Art und Weise, wie Erweiterungen in S/4HANA implementiert werden.
Grundsätzlich sollten Unternehmen meiner Meinung nach einen Fokus darauf legen, sich mit den neuen Technologien wie Fiori, RAP, CAP, BTP etc. auseinanderzusetzen, um die Erweiterungsmöglichkeiten eines S/4HANA-Systems bestmöglich ausschöpfen zu können. Allerdings können verschiedene Faktoren wie zum Beispiel Ressourcenengpässe oder fehlendes KnowHow dazu beitragen, dass auch in S/4HANA-System alte Erweiterungsmöglichkeiten zum Einsatz kommen man so das Potenzial eines „sauberen“ S4-Systems nicht voll ausschöpft. Unternehmen sollten daher genau prüfen, welche Erweiterungsmöglichkeit an welcher Stelle für sie sinnvoll und nachhaltig ist.